Kitas in Italien nach dem Corona-Lockdown
Wer erinnert sich nicht an die Konvois von Militärfahrzeugen mit den Särgen von Corona-Opfern aus Bergamo in der norditalienischen Lombardei? Die Bilder waren erschütternd, gingen unter die Haut. Eine ähnlich öffentliche Aufmerksamkeit fanden die vielen kleinen Videos aus Italien mit Einzelpersonen oder kleinen Gruppen, die von Hochhausbalkons singen, musizieren oder mit Schrifttafeln dem Krankenhauspersonal für seinen Einsatz gegen Covid 19 danken. Diese Szenen bleiben unvergessen!
Jetzt gibt es in Italien wie in Deutschland die schrittweise Lockerung des gerade in Italien sehr harten Lockdowns. Aber wie wird nun die Öffnungspraxis bei den Kitas realisiert? Dazu gibt es seit nun ein Konzept, das von der italienischen Erziehungsministerin Lucia Azzolina gemeinsam mit Ministerpräsident Giuseppe Conte vorgestellt wurde. In diesem von einer Expertengruppe vorbereiteten Konzept wird ein grundsätzlicher Unterschied zwischen dem italienischen und dem deutschen System deutlich: In Italien sind Kitas Teil des landesweiten Bildungssystems, in dem auch Kitas als Schulen und pädagogische Fachkräfte als Lehrerinnen und Lehrer bezeichnet werden. Daher gibt es weitgehend identische Regeln für Kitas, Grundschulen und die schulische Mittelstufe, die sich (erst!) ab September für die Kinder, dann auch für alle Kinder öffnen sollen.
Hauptregel ist die das Abstandsgebot von 1 m zwischen den Aktionsbereichen der einzelnen Kinder. Plexiglasscheiben sollen das Einhalten der Abstände erleichtern. Für entsprechende bauliche Maßnahmen werden bis Ende Juni 1,3 Milliarden Euro zur Verfügung gestellt. Die Gruppen sollen getrennt den Kita-Tag verbringen. Für die tägliche Ankunfts-/Bringezeit und für die Mahlzeiten ist eine Zeitstaffelung vorgesehen.
Die Ministerin hatte vor einem Monat die Zukunftsvision beschrieben, Gruppen- und Klassenstärken von 10 Kindern anzustreben. Aktuell sollen erst einmal die Regionen, vergleichbar den Bundesländern in Deutschland, über Einzelmaßnahmen entscheiden. Kriterien sollen dabei die regional sehr unterschiedlichen Infektionsraten sein. Diese werden auch bei der Entscheidung über eine Maskenpflicht herangezogen. Überregional soll eine schon im Mai vorgestellte Idee umgesetzt werden: Die Ministerin wünscht, dass Kitas und Schulen sich zum Nahbereich öffnen, um auf Plätzen, in Parks und in der Natur außerhalb der Orte, aber auch in Museen, Theatern und Kinos Lern- und Entdeckungsorte zu nutzen. Diese in Deutschland kaum im Zusammenhang mit der Corona-Pandemie diskutierte Idee lässt eine deutliche Nähe zur Reggio-Pädagogik erkennen.
Und noch eine italienische Besonderheit: Eine überraschend große Zahl von Pädagoginnen und Pädagogen erklären sich freiwillig bereit, bis zur Wiedereröffnung von Kitas und Schulen Förder- und Betreuungsmaßnahmen in Kleingruppen oder für einzelne Kinder zu übernehmen.